Wo Windkraft in der Lausitz noch wachsen darf
Den Regionalplanern im Süden Brandenburgs ist in den zurückliegenden fast neun Jahren so manche Entwicklung in Sachen Windenergie gegen den Strich gegangen. Nach ihren Vorstellungen sollten neue Windräder in definierten Eignungsgebieten errichtet werden. Eine Konzentration unter planerischen Gesichtspunkten war das Ziel. Windparks statt Wildwuchs und Verspargelung – überall in der Lausitz.
"Es hat uns vieles nicht gefallen. Aber uns waren die Hände gebunden", erklärt Carsten Maluszczak. Der Leiter der Regionalen Planungsstelle Lausitz-Spreewald musste im Jahre 2007 zur Kenntnis nehmen, dass das Brandenburger Oberverwaltungsgericht (OVG) den Teilregionalplan "Windkraftnutzung" aus formalen Gründen gekippt hatte. Windmüller seien danach übers Land gezogen, hätten Flächenakquise betrieben, ohne sich an Eignungsgebiete halten zu müssen. Genehmigungen wurden lediglich nach Bundesimmissionsschutzrecht erteilt.
Seit Mitte Juni ist es damit vorbei. Der neue sachliche Teilregionalplan "Windenergienutzung" für Südbrandenburg hat mit der Veröffentlichung im Amtsblatt Gültigkeit erlangt. Er weist insgesamt 41 Eignungsgebiete für die Windenergienutzung aus – von Königs Wusterhausen bis Senftenberg und Cottbus bis Herzberg (siehe Karte). Das seien 1,85 Prozent der vorhandenen Fläche. Zwei Prozent ist die Zielvorgabe des Landes. "Damit haben wir jetzt ein uneingeschränktes Steuerungsinstrument, das für Windmüller bindend ist", sagt Maluszczak. Mit Untersagungsverfahren für außerhalb der Eignungsgebietskulisse liegende Windenergieanlagenplanungen habe die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg die Steuerung in den vergangenen drei Jahren bereits unterstützt.
Dass es fast neun Jahre gedauert hat, bis dem gerichtlich gekippten "Wegweiser für Windmüller" eine neue amtliche Orientierung gefolgt ist, hat viele Gründe. Zunächst waren die Regionalplaner so optimistisch, dass der neue Plan schon für 2008 anvisiert war. Heute sagt Maluszczak: "Wir fahren in der Regionalplanung kein Schnellboot, sondern einen Tanker."
Das bezieht der Planungschef natürlich nicht auf seine Behörde, sondern auf die Vielzahl von gesetzlichen Rahmenbedingungen, Anhörungen, Stellungsnahmen oder Einwendungen. "Alles muss bedacht und berücksichtigt werden, damit der Plan gerichtsfest wird", sagt Regionalplaner Jens Lochmann. Mit Blick auf die endgültige Karte der Windenergie-Standorte im Süden Brandenburgs erläutert er: "Hier liegen faktisch 16 Karten mit Ausschlusskriterien für Windparks übereinander. Da bleiben gar nicht mehr so viele Flächen übrig."
Und Lochmann fügt hinzu: "Unser Planungskonzept gibt zurzeit einen Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung von 1000 Meter vor." Viele der 16 gelisteten Bürgerinitiativen im Land fordern aber 2000 Meter. "Würden wir das realisieren, dann würde das in Verbindung mit allen anderen von uns zu beachtenden Kriterien nahezu einem generellen Ausschluss der Windenergie gleichkommen", sagt Lochmann. Sein Chef Carsten Maluszczak ergänzt, dass es ohne die Möglichkeit, Standorte im Wald auszuweisen, mit der Flächenverfügbarkeit noch schneller zu Ende ginge. "Dann könnten wir nicht mehr als ein Prozent der zur Verfügung stehenden Fläche als Eignungsgebiete ausweisen." Und er fügt hinzu, dass viele der Initiativen natürlich auf regenerative Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse setzen würden.
Dass das Bild vom Tanker gut gewählt ist, verdeutlicht letztlich auch Mathias Gulbe. Die Planungsstelle hat allein im ersten Verfahren zur Aufstellung des neuen Planes 1027 Stellungnahmen erhalten. Es habe 6228 Einwendungen gegeben, "überwiegend von Vorhabenträgern, die Flächen suchen". Und mehr als ein Jahr habe Gulbe mit seinen Kollegen damit zugebracht, die in einer Datenbank gespeicherten Schreiben abzuwägen sowie nachvollziehbar und schlüssig zu begründen.
"Wenn dann etwa ein neuer Seeadler-Standort hinzukommt", ergänzt Maluszczak, "müssen die Kriterien neu bewertet werden. Führt das zu einer Flächenänderung, beginnt die Beteiligung von vorn."
Mit Lausitz-Spreewald haben jetzt alle fünf Regionalen Planungsgemeinschaften Brandenburgs ein gültiges Dokument, das über die Windkraftnutzung Auskunft gibt. "Der Plan ist ein gesellschaftlicher Kompromiss der Region, der ohne Gegenstimme beschlossen wurde", betont Maluszczak.
Welche Auswirkungen der neue Teilregionalplan auf laufende juristische Auseinandersetzungen hat, bleibt abzuwarten. So hatte die Firma Uka Umweltgerechte Kraftanlagen GmbH Cottbus vor einem Jahr am Cottbuser Verwaltungsgericht den Bau von drei Windrädern in der Gemeinde Bersteland durchgesetzt – außerhalb eines nahe gelegenen Eignungsgebietes. Das Landesumweltamt hatte dafür die Genehmigung versagt. Zu Unrecht, wie die Richter entschieden.
In ihrer Begründung verwiesen sie einerseits auf den erst in Erarbeitung befindlichen Regionalplan zur Windkraftnutzung. Zugleich aber machten sie deutlich, dass dieser Regionalplan auf dem Landesentwicklungsplan (LEP) Brandenburgs aufbaut. Und der war vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg im Jahre 2014 wegen eines Formfehlers für nichtig erklärt worden.
Obwohl die Cottbuser Verwaltungsrichter überzeugt waren, dass der Entwicklungsplan des Landes juristisch nicht nachträglich zu heilen sei und die Windmüller bereits frohlocken konnten, setzte das Brandenburger Kabinett den LEP per Rechtsverordnung wieder in Kraft. Ein Antrag auf einstweilige Verfügung von Gemeinden wurde in einem unanfechtbaren Beschluss vom Mai 2016 abgewiesen. Zur Begründung hieß es, dass eine Interessenabwägung ergeben habe, "dass die Interessen der Landesregierung am Erhalt der Steuerungswirkung des Landesentwicklungsplans im Hinblick auf eine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung und Ordnung des Landesgebietes deutlich gewichtiger seien als die gegenläufigen Interessen der Gemeinden".
Gegen den Bau der drei Windräder im Bersteland (Amt Unterspreewald) läuft zurzeit eine vom Landesumweltamt eingelegte Berufung, wie Uka-Unternehmenssprecher Henrik Oliver von Oehsen auf RUNDSCHAU-Anfrage mitteilt. Da das Unternehmen erstinstanzlich bereits gewonnen habe, sei man optimistisch, die Anlagen realisieren zu können.